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Dr. Monique Sturny im Porträt

"Partner*in in Teilzeit müsste geschlechterunabhängig als Modell akzeptiert werden."

Dr. Monique Sturny, LL.M., Partnerin bei Walder Wyss, über die Bedeutung von Netzwerken und ihre Erfahrungen als Partnerin in Teilzeit.

Liebe Monique, du bist Partnerin bei der Wirtschaftskanzlei Walder Wyss mit Schwerpunkt Kartellrecht und Vertriebsrecht. Wie wichtig ist die Wahl einer Spezialisierung oder «Nische» für den weiteren beruflichen Weg?

Die Spezialisierung hat sich bei mir bereits unmittelbar nach dem Studium im Substitutenjahr ergeben – allerdings eher durch Zufall bei der Teamzuteilung. Diese hat sich aber als Glücksfall erwiesen. Mit dem heutigen Komplexitätsgrad und der schnellen Fortentwicklung der Rechtsgebiete erachte ich eine Spezialisierung als essenziell. Ausserdem hat mein Know-How in Nischen- und Schnittstellenthemen – wie z.B. zur Datennutzung im Bereich digitaler Plattformen – geholfen, die nächsten Karriereschritte zu gehen in einer Zeit, in der eine Beförderung zur Partnerin in Teilzeit noch unüblich war. In den ersten Jahren meiner Tätigkeit als Anwältin habe ich nebst dem Schwerpunkt im Kartell- und Vertriebsrecht relativ breit gearbeitet. Dies war wertvoll, um ein gutes «Bauchgefühl» für die rechtlichen Probleme der Klienten zu entwickeln. 

Nach dem Studium hast du zunächst Berufserfahrung als Anwältin gesammelt, bevor du einen LL.M. absolviert und schliesslich im Kartellrecht promoviert hast. Warum hast du diese Reihenfolge gewählt, statt z.B. direkt nach dem Studium zu promovieren?

Ich hatte direkt nach dem Studium in Fribourg Lust, zu arbeiten und nach Zürich zu ziehen, um in einer grossen Wirtschaftskanzlei zu starten. Mir war wichtig, rasch das Anwaltspatent zu erlangen, danach Arbeitserfahrung zu sammeln und im Ausland einen LL.M. zu absolvieren. Daher hatte die Promotion zunächst nicht oberste Priorität. Ich hatte die Vorstellung, das Promovieren liesse sich später gut mit der Familienplanung und Kleinkindphase kombinieren. Die Umsetzung verlief dann allerdings nicht immer ganz so harmonisch wie vorgestellt.

 

Wie sah dein Promotionsalltag aus?

 

Ich habe meine Dissertation im Rahmen eines SNF-Projekts ab 2008 verfasst. Nach der Geburt unserer Tochter konnte ich die Arbeit an der Dissertation rasch in einem reduzierten Pensum wieder aufnehmen. Der Promotionsalltag war intensiv, insbesondere nach der Geburt unseres Sohnes knapp eineinhalb Jahre später. Allerdings war es auch eine wunderbare Zeit – mit viel Flexibilität und ohne Termindruck wie dies im Kanzleialltag der Fall gewesen wäre. Zum erfolgreichen Abschluss hat sicherlich auch die Unterstützung durch meinen Mann und unsere Kinderbetreuerin beigetragen.

Würdest du dein Modell der Promotion empfehlen? Warum oder warum nicht?

Wie erwähnt habe ich es genossen, während der Kleinkindphase zu forschen und gleichzeitig am Alltag der Kinder teilhaben zu können. Insofern kann ich das Modell empfehlen. Allerdings ist eine Promotion aufwändig. Ich erachte sie heutzutage ausserhalb des akademischen Weges nicht mehr als essenziell. Daher sollte man eine Dissertation aus Freude am Forschen und Schreiben in Angriff nehmen und nicht primär mit der Vorstellung, dass dies karrieretechnisch ein Vorteil wäre. 

Nach der Geburt deiner Kinder hast du weiter in Wirtschaftskanzleien als Anwältin in Teilzeit gearbeitet. Ist etwas dran am Mythos, dass man in Teilzeit besser sein muss als alle anderen, um beruflich nicht zu stagnieren?

Das musste ich verschiedentlich hören. Mein Wiedereinstieg als Anwältin liegt nun allerdings schon rund zehn Jahre zurück. Damals war ein Teilzeitpensum in Wirtschaftskanzleien noch wenig verbreitet. Vorbilder – insbesondere weibliche –, die in Teilzeit Karriere gemacht haben, gab es kaum. Teilzeit war zudem ausschliesslich ein Frauenthema. Aufgrund dieser Umstände hatte ich effektiv das Gefühl, doppelt beweisen zu müssen, dass ich trotz Teilzeit bereit bin, einen grossen Einsatz zu leisten und etwas erreichen möchte. 

 

Du bist in Teilzeit zur Partnerin ernannt worden und setzt dieses Modell als Partnerin fort. Warum gibt es «Partner*in in Teilzeit» nicht häufiger?

Bis vor relativ kurzer Zeit war es in Wirtschaftskanzleien oftmals kaum möglich, in Teilzeit Partnerin zu werden. Ausserdem haben nicht alle Kanzleien die Anforderungen und Vergütungsmodelle auf Partnerstufe auf Teilzeitmodelle abgestimmt, wodurch eine gleichberechtigte Partnerschaft in Teilzeit gar nicht möglich ist. Zudem herrscht teils nach wie vor die Ansicht vor, dass Teilzeit und Partnerschaft nicht zusammengehen würden. Damit fehlten bis vor kurzem Vorbilder, die gezeigt hätten, dass dieses Modell möglich ist. Das wirkt abschreckend.

Zumindest für meine Rechtsgebiete kann ich nun festhalten, dass Teilzeit auch auf Partnerstufe möglich ist. Allerdings praktiziere ich eine eher unkonventionelle Form von Teilzeit, da ich nicht an fixen Tagen, sondern über die gesamte Woche verteilt arbeite. So bin ich flexibel für meine Klienten da. Für Eltern mit kleineren Kindern sind geregelte Arbeitszeiten demgegenüber wichtiger; aber auch das lässt sich mit guter Organisation und Kommunikation umsetzen.

Teilzeit ist ausserdem bei Männern noch kaum verbreitet und gesellschaftlich zu wenig akzeptiert. Etliche Männer mit Kindern verzichten nach wie vor auf eine Reduktion des Pensums aus Angst, dass dieser Schritt ihre Karriere beeinträchtigen würde. Dies ändert sich langsam. Hier sehe ich Nachholbedarf, denn viele männliche Kollegen möchten familiär Verantwortung übernehmen und haben Lebenspartnerinnen, die ebenfalls Karriereambitionen haben.

Was müsste sich ändern, dass «Partner*in in Teilzeit» zum etablierten Modell wird?

Partner*in in Teilzeit müsste geschlechterunabhängig als Modell akzeptiert und gefördert werden mit entsprechender Kommunikation. Wo noch nicht erfolgt, müssten auch Vergütungsmodelle und Beförderungskriterien auf Teilzeitmodelle angepasst werden. 

Ich bin überzeugt, dass dieser Wandel den Kanzleien wirtschaftliche Vorteile bringt. Bei der Vergabe von Mandaten verlangen Klienten zunehmend den Nachweis, dass Diversität effektiv umgesetzt wird (vgl. jüngst den Bericht von Reuters vom 23. Februar 2022 “How client surveys are moving the DEI needle at law firms”, https://www.reuters.com/legal/legalindustry/how-client-surveys-are-moving-dei-needle-law-firms-2022-02-23/). Ausserdem gehen Talente verloren, wenn die Vereinbarkeit von Familie und Partnerschaft nicht gegeben ist.

Was waren die grössten Herausforderungen auf dem Weg zur Partnerschaft? 

Alles unter einen Hut zu bringen und über Jahre konstant im Interesse der Klient*innen gute Arbeit zu leisten. Dies erfordert viel Durchhaltevermögen, ist aber auch sehr erfüllend. Die Arbeitsbelastung ist hoch (gerade bei Teilzeit, wo neben der Arbeit weitere Aufgaben anstehen und viel Koordinationsgeschick gefragt ist). Hinzu kommen Marketing- und Publikationstätigkeiten. Eine grosse Herausforderung ist auch der Aufbau eines eigenen Klientenstamms. 

Wie hast du auf dem Weg zur Partnerin auf dich aufmerksam gemacht – sowohl in der Kanzlei als auch ausserhalb?

Das ist ein wichtiger Punkt: Für Personen mit familiären Pflichten und reduziertem Pensum ist die Gefahr erhöht, zu wenig wahrgenommen zu werden und sich in und ausserhalb der Kanzlei nicht genügend vernetzen zu können. Ich habe darauf stets ein Augenmerk gelegt, u.a. indem ich regelmässig bei internen Weiterbildungsveranstaltungen und an externen Fachtagungen Vorträge gehalten habe.

Über 60% der Jura-Absolvent*innen in der Schweiz sind Frauen, unter den Partner*innen in Kanzleien sind sie jedoch unterrepräsentiert. Woran liegt dies aus deiner Sicht, trotz vielfältiger Mentoring-Programme für Frauen? 

Dies ist sicher teils kulturell, historisch und politisch erklärbar. Bis in die 80er und 90er Jahre waren in der Schweiz vorwiegend Frauen für Familienarbeit zuständig. Auch heute noch sind traditionelle Denkmuster verbreitet. Dadurch gibt es zu wenig weibliche Vorbilder. Die Kinderbetreuung ist primär Sache der Kleinfamilie, was zur typischen Doppelbelastung der berufstätigen Frau führt. Unter diesen Umständen ist es naheliegend, dass der Frauenanteil tief ist (vgl. im Jahr 2019 lag dieser auf Partnerstufe in Schweizer Wirtschaftskanzleien zwischen 7 und 16%, vgl. Handelszeitung v. 29.04.2019. Seither ist der Anteil gestiegen; Frauen sind aber weiterhin stark untervertreten.)

Eine Verbesserung und Flexibilisierung der Kinderbetreuungsangebote wäre ein wichtiger Schritt. Aber damit allein lässt sich der Frauenanteil auf Partnerstufe nicht erhöhen. Dass beide Elternteile in Vollzeit arbeiten, ist für manche Paare ein gangbarer Weg. Für andere kommt dies aber nicht in Frage. Dies führt zu oft dazu, dass Frauen den Partnerschaftsweg gar nicht erst probieren. Daher erachte ich eine paritätische Ausgestaltung von Mutter- und Vaterschaftsurlaub und die geschlechterunabhängige Möglichkeit von Teilzeit als essenziell für eine Erhöhung des Frauenanteils auf Partnerstufe. 

Auch dein Mann ist Anwalt und Partner. Wie organisiert ihr euch, um Familie und Beruf vereinbaren zu können? 
Unsere Kinder sind bereits recht selbständig. Das macht es einfacher als mit Kleinkindern. Ich arbeite in einem reduzierten Pensum und bin dadurch recht flexibel. Mein Mann arbeitet Vollzeit, da er aber selber Partner ist, hat auch er eine gewisse Flexibilität in der Organisation seines Tagesablaufs. Wir sind ein eingespieltes Team, unterstützen uns gegenseitig und übernehmen beide Verantwortung in der Kinderbetreuung. Wir haben eine Kinderbetreuerin, die uns eine grosse Hilfe ist. Während der Schulferien können wir zudem auf die Unterstützung der Grosseltern zählen. Ohne dieses eng verzahnte Betreuungsnetz wäre es nicht möglich, alles unter einen Hut zu bringen. 

Gemeinsam mit anderen Expertinnen im Kartellrecht hast du das Regional Chapter Schweiz von «Women at Competition» (W@CompetitionCH) gegründet. Was ist euer Anliegen?

Wir möchten für Frauen, die im Kartellrecht tätig sind oder in ihrer Tätigkeit damit Berührungspunkte haben, Gelegenheiten schaffen, sich zu vernetzen und sichtbar zu sein. Pandemiebedingt starteten wir zunächst mit einer Webinar-Reihe. Mittlerweile konnte eine erste Präsenzveranstaltung mit Petra Gössi als Gastreferentin stattfinden. Unsere Angebote sind stets von Frauen, sie richten sich aber geschlechtsunabhängig an alle interessierten Personen.

Unter den Gründungsmitgliederinnen befinden sich Partnerinnen, In-House-Counsel und die Vizedirektorin des Sekretariats der Schweizer Wettbewerbskommission. Wie fliessen diese verschiedenen Blickwinkel in die Angebote von W@CompetitionCH ein?

Die verschiedenen Blickwinkel erlauben uns, ein vielfältiges Angebot zusammenzustellen. Nebst einem wettbewerbspolitischen Anlass sind auch Webinare mit Inhouse Referentinnen, Ökonominnen und Behördenvertreterinnen geplant. Aber auch das Networking an Apéros soll nicht zu kurz kommen.

Würdest du Berufsanfänger*innen empfehlen, sich in einer Gruppe ihres Fachbereichs zu vernetzen?

Sicher, aber nicht zwingend in einer Gruppe des eigenen Fachbereichs. Networking ist generell ein wichtiges Stichwort, für das sich Frauen – gleich wie Männer – Zeit nehmen sollten, sei es an Events oder auch in sozialen Medien. 

Welche Juristin hat dich so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden soll?

Dr. iur. Magda Streuli-Youssef war vor ihrer Zeit als Partnerin bei Rentsch Rechtsanwälte Partnerin bei Walder Wyss. Ich habe sie stets als Inspiration empfunden. Sie hat sich zu einer Zeit als Anwältin einen Namen gemacht, als Frauen im Anwaltsberuf noch mit erheblichen Widerständen zu kämpfen hatten.  

Vielen Dank für das spannende Interview!

Zürich, 6. März 2022. Das Interview wurde geführt von Lena Götzinger.

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