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Katja Berlinger

Katja Berlinger im Porträt

"Wir sollten herausfinden, welche Tätigkeiten uns am Glücklichsten machen und dann die Karriere danach ausrichten."

Katja Berlinger, Rechtsanwältin, MBA INSEAD, über ihre Leidenschaft am Gestalten als Inhaberin und Geschäftsführerin der Swiss Medi Kids AG und den Mut, Herausforderungen unverkrampft anzugehen.

Liebe Katja, du bist seit über zehn Jahren Geschäftsführerin bei der Swiss Medi Kids AG und Juristin. Was begeistert dich an deiner Tätigkeit im Unternehmen?

Bei Swiss Medi Kids setzen wir uns für den Erhalt einer hochwertigen medizinischen Versorgung von Kindern- und Jugendlichen in der Schweiz ein. Unsere Mission ist so drängend und wichtig, dass es einfach sinnvoll ist, jeden Tag dafür zu kämpfen. Was selbstverständlich tönt, ist es leider nicht. Das Vereinen von Leadership, politischer Aktivität und operativer Exzellenz im Hinblick auf diese eine Mission begeistert mich täglich aufs Neue. Zudem führe ich gerne. Ich betrachte es als meine Aufgabe, die Menschen in meinem Team dazu zu bringen, Ihr Potential voll auszuschöpfen. 

Zu Beginn deiner Berufslaufbahn hast du als Anwältin gearbeitet. Aus welchen Gründen hast du dich gegen den «klassischen juristischen Weg» entschieden?

Ich habe den klassischen Weg verlassen, weil ich spürte, dass ich nicht mehr beratend an der Seitenlinie, sondern aktiv am «Entscheidhebel» tätig sein wollte. Als ich als junge Anwältin den CEO einer grossen Firma, die Konkurs ging, verteidigen durfte, wurde mir klar, dass ich meine Zeit nicht für Sachverhalte einsetzen möchte, die in der Vergangenheit passiert und abgeschlossen sind, sondern dass ich die Zukunft aktiv mitgestalten möchte.

 

Inwiefern hilft dir deine juristische Ausbildung als Unternehmerin oder inwiefern ist sie hinderlich?

 

Sie hilft ungemein. Gerade in der Pandemie haben wir wöchentlich am Freitagnachmittag nach der Bundesratssitzung die neuen Covid-Verordnungen studiert und in unsere Schutzkonzepte eingearbeitet. Die Fähigkeit, Normen schnell zu verstehen und umzusetzen hat mir enorm geholfen. Aber auch bei Verhandlungen hilft das Rüstzeug aus der Vergangenheit, und natürlich auch in meiner Tätigkeit als Verwaltungsrätin. Dort habe ich immer noch ein gutes Gefühl für die «red flags» aus Compliance-Sicht. Als Juristin ist man gewohnt, an alle Eventualitäten zu denken und das tut auch den meisten Unternehmen gut.

Nach etwa zwei Jahren als Anwältin hast du einen MBA absolviert. Würdest du dies auch anderen Juristinnen und Juristen, die eine Managementposition anstreben, als Sprungbrett empfehlen? Warum oder warum nicht?

Ich würde diese Ausbildung definitiv allen ans Herz legen, die sich vorstellen können, in einem Unternehmen (nicht in einer Kanzlei) entweder als Unternehmensjurist*in oder in einer anderen Linienfunktion (Linienfunktionen beinhalten in der Regel Personalverantwortung sowie für die Gewinn- und Verlustrechnung eines Bereichs) zu arbeiten. Zudem ist die Kombination MBA/Jus einfach in allen Aspekten einer unternehmerischen Führungsposition wertvoll. Wichtig ist aber auch, ein MBA-Programm zu wählen welches ein gutes Netzwerk bietet. Ein solches haben in der Regel alle Schulen, die im Ranking der Financial Times unter den Top 10 sind. Für mich gaben die absolute Bestnote in Internationalität den Ausschlag, INSEAD unter den verschiedenen Unis zu wählen. Zudem war für mich wichtig, dass es sich um ein einjähriges Programm handelte, da ich schon vergleichsweise älter für einen Karrierewechsel war.

Im Anschluss an den MBA hast du für kurze Zeit als Vertrieblerin in einem Start-up in London gearbeitet. Welche Erfahrungen nimmst du aus dieser Zeit mit?

Es sind nicht nur Unternehmen und Branche wichtig, sondern auch das konkrete Arbeitsumfeld. Das Unternehmen hatte ein tolles Headquarter in den USA, aber meine Kollegen in London, insbesondere mein damaliger Chef, waren wenig engagiert. Das war auch der Grund, dass ich weitergezogen bin. Die Erfahrung, als Sales Managerin blinde Akquisition zu machen – also auf potentielle Kunden zuzugehen, zu denen bislang kein Kontakt vorhanden war – , hilft aber heute noch, mutig zu sein und auf Menschen zuzugehen. 

 

Mit Anfang dreissig sasst du das erste Mal in deiner Funktion als Angestellte eines Family Offices* in Verwaltungsräten ein. Was waren dabei die grössten Herausforderungen?

Es war sehr wichtig, die strategische Funktion des Verwaltungsrates von den operativen Funktionen gut zu trennen und sich immer der jeweiligen Rolle bewusst zu sein. Man darf sich als Verwaltungsrat nicht zu sehr einmischen.

*Der Begriff Family Office bezeichnet eine Institution, deren Aufgabe die individuelle und langfristige Verwaltung und Sicherung des Vermögens einer wohlhabenden Familie ist.

Während dieser Zeit wurdest du das erste Mal schwanger und hast dich dann selbständig gemacht. Wie sah der Beginn deiner Selbständigkeit aus?

Ich durfte ein Verwaltungsratsmandat von meinem alten Family Office behalten, was natürlich ein super «Grundstock» für meine Selbständigkeit war. Ansonsten habe ich mehr oder weniger alles angenommen, was kam. Viele rechtliche Mandate, obwohl ich eigentlich auf der der Suche nach unternehmerischen Projekten oder Verwaltungsratsmandaten war. Aber die rechtlichen Mandate haben meiner Familie in der ersten Zeit das Überleben gesichert und in der Folge sehr oft zu unternehmerischen Projekten geführt. Es hat sich gelohnt, dass ich mir nie «zu schade» war, etwas auszuprobieren.

Wie hast du es geschafft, auf dich aufmerksam zu machen und deine Verwaltungsratsmandate beständig auszubauen? 

Ich habe meinen Wunsch, mich unternehmerisch zu betätigen und im Verwaltungsrat tätig zu sein, klar in meinen Netzwerken kommuniziert. Zudem haben wie gesagt auch die rechtlichen Arbeiten oft zu mehr unternehmerischen Projekten oder gar Verwaltungsratsmandaten geführt. So habe ich beispielsweise den heutigen Eigentümer einer Zürcher Gastronomie- und Kulturinstitution zuerst rechtlich beim Erwerb begleitet und war dort danach zwei Jahre als Verwaltungsrätin tätig. 

Du arbeitest Vollzeit, dein Mann ist seit deiner Selbständigkeit Hausmann und kümmert sich hauptsächlich um eure beiden Kinder. Wie sind eure Erfahrungen mit diesem Modell?

Für uns war das irgendwann die logische Lösung. Sie hat aber nur funktioniert, weil ich auch Mandate mit zu viel Auslandstätigkeit oder abendlichen Verpflichtungen abgelehnt habe. Wir lachen oft darüber, dass wir uns wahrscheinlich getrennt hätten, wenn ich daheim schlecht gekocht und miserabel geputzt hätte …. Mein Mann hat mich immer unterstützt und mir den Rücken freigehalten. Die Gesellschaft war allerdings zu jener Zeit schon noch sehr skeptisch gegenüber unserer Rollenaufteilung. Das ist zum Glück heute etwas besser geworden.

Deine Tätigkeit als Verwaltungsrätin und Geschäftsführerin bringt viele Reisen, Abendveranstaltungen und Sitzungen mit sich. Wie organisierst du dich, um Zeit mit deiner Familie zu verbringen? 

Ich habe derlei Verpflichtungen wie beschrieben sehr bewusst auf das absolute Minimum reduziert und der Familie wenn immer möglich Vorrang gegeben. Man kann einfach nicht alles haben.

 

Du bist in deiner Karriere des Öfteren ins kalte Wasser gesprungen (z.B. mit dem MBA oder deinem Einstieg ins Gesundheitswesen). Welche Tipps hast du für Berufsanfänger und Berufsanfänger*innen, die vor neuen Herausforderungen stehen? 
Nur wer etwas ausprobiert, kann auch Erfahrungen sammeln. Als ich für ein Verwaltungsratsmandat im Detailhandel angefragt wurde, hatte ich noch nicht allzu viel Ahnung von dieser Branche, aber dafür heute umso mehr. Es gibt viel weniger «Falsches» als man glaubt, denn man kann immer und aus allem lernen. Wer zu lange zaudert und nach dem «Richtigen» sucht, verpasst oft auch Wertvolles. Ich beobachte, dass gerade junge Frauen sich einem starken Druck aussetzen immer den richtigen Karriereschritt zu machen. Ich empfehle, das alles etwas unverkrampfter anzugehen. Es kommt letzten Endes wie es muss und es lässt sich nicht alles planen. Wir sollten herausfinden, welche Tätigkeiten uns am Glücklichsten machen und dann die Karriere danach ausrichten. 

Du bist in verschiedenen Unternehmen Präsidentin des Verwaltungsrats oder Mitglied des Verwaltungsrats – als Frau immer noch eine Ausnahme. Was hältst du von der viel diskutierten Frauenquote für Verwaltungsräte?

Ich war lange dagegen, muss aber mittlerweile zugeben, dass freiwillig wohl einfach zu wenig passiert. Damit verpassen wir Chancen, denn Diversität ist der Schlüssel zum Erfolg. Diversität, nicht nur in Bezug auf Geschlecht, sondern auch in Bezug auf Alter, Skills, Herkunft und Wertvorstellungen, führt zu besseren Entscheidungen. Das sollten wir uns zu Nutze machen.

Welche Juristin hat dich so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden soll?

Laura Meyer, CEO Hotelplan und baldige Verwaltungsrätin der Neue Zürcher Zeitung AG.

Vielen Dank für das spannende Interview!

Zürich, 27. März 2022. Das Interview wurde schriftlich geführt. Die Fragen stellte Lena Götzinger.

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