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Laura Dittli und Dr. Valérie Dittli

Laura und Valérie Dittli im Porträt

Laura Dittli: "Das politische System in der Schweiz bietet beste Voraussetzungen, um sich einzubringen."

Valérie Dittli: "Wichtig ist, trotz allfälliger Kritik vorwärts zu schauen und einen guten Job zu machen."

Die Schwestern Laura Dittli, Zuger Regierungsrätin, und Valérie Dittli, Conseillère d’État du Canton Vaud, über ihren politischen Werdegang und ihre Aufgaben als Regierungsrätinnen, ihre gegenseitige Unterstützung und ihre Begeisterung für das Amt sowie die Herausforderungen der politischen Tätigkeit.

Liebe Laura, liebe Valérie, Ihr beide habt zunächst Rechtswissenschaften studiert und amtet jetzt seit 2023 bzw. 2022 als Regierungsrätinnen im Kanton Zug bzw. im Kanton Waadt. Wie kam es dazu, dass Ihr nach dem Studium eine politische Karriere eingeschlagen habt?

Laura: Mein Einstieg in die Politik gelang bereits während des Studiums. Ich kandidierte für den Kantonsrat, also für die Legislative, und wurde 2014 mit 23 Jahren gewählt – so begann alles. Während vier Jahren war ich dann auch Präsidentin der CVP Kantonalpartei. Relativ jung, mit 28 Jahren, stand ich als erste Frau an der Spitze der Zuger CVP (später «die Mitte»). Das Parteipräsidium ist ein «Chrampferamt», welches viel persönliches Engagement verlangt.  Man befasst sich mit Personalarbeit, wirbt neue Leute für die Partei an und ist in stetigem Austausch mit den anderen Parteien – kurz gesagt: politische Knochenarbeit.

 

Valérie: Ich habe mich schon immer für gesellschaftliche Fragen interessiert und mich dank Laura dann auch in die parteipolitischen Geschehnisse eingemischt. Ein Schlüsselmoment war für mich sicherlich, als ich zur Parteipräsidentin der Mitte im Waadtland gewählt wurde. Bei diesem Amt durfte ich auf ein tolles Team zählen, das hinter mir stand und mich unterstützte.

Laura, Du bist vor Deinem Amtsantritt als Regierungsrätin bereits einige Jahre als Anwältin und Notarin tätig gewesen. Inwieweit hat Dich diese Tätigkeit auf Dein  Amt als Regierungsrätin vorbereitet?

Laura: Ein juristischer Hintergrund ist generell eine gute Voraussetzung für ein politisches Amt oder konkret eben das Regierungsratsamt. In der Sicherheitsdirektion werden viele juristische Fragestellungen behandelt. Das Direktionssekretariat beschäftigt demnach auch einige Juristen.

Laura, Du hast einen Teil Deines Master-Studiums in Neuchâtel absolviert; Du, Valérie, hast an der Universität Lausanne promoviert – was zog Euch in die Westschweiz und was hat Dich, Valérie, dazu bewogen, Dich dauerhaft im Waadtland niederzulassen und dort politisch aktiv zu werden?

Laura: Die Uni Luzern bietet ein Doppel-Masterstudium an in Kooperation mit der Uni Neuchâtel. Ich habe das genutzt, um Erfahrungen in einer anderen Landesregion zu machen und auch wegen der Sprache. Das half mir anschliessend auch im Beruf. 

Valérie: Französisch zu sprechen, ist ein grosser Vorteil, wenn man in der Schweiz wohnt und im juristischen Bereich arbeitet. Zuerst war es mein Plan, nur ein Semester in Lausanne zu verbringen. Dann hat mich allerdings ein Professor gefragt, ob ich nicht eine Dissertation schreiben möchte.

Eure politische Karriere ist schon jetzt geprägt von Superlativen: «erste und jüngste Präsidentin der Zuger Mitte-Partei», «jüngste Staatsrätin des Kantons Waadt», und zuletzt nun «zwei der jüngsten Regierungsrätinnen der Schweiz». Welchen Herausforderungen seid Ihr in dieser Rolle als Wegbereiterinnen begegnet?

Valérie: Es war ein Einstieg von null auf hundert. Eine Erfahrung im Grossrat wäre wohl hilfreich für einen sanfteren Einstieg gewesen, um das System vorher kennenzulernen. Teils werde ich auch als unerfahren wahrgenommen, da Regierungsrätin mein erstes politisches Mandat ist. Wichtig ist, trotz allfälliger Kritik vorwärtszuschauen und einen guten Job zu machen. Dabei ist es zentral, fachlich auf der Höhe und dossierfest zu sein. Das ist zeitintensiv und kostet Energie. Ich informiere mich gut, gerade auch darüber, mit wem ich es zu tun habe.

Laura: Es hat auch Vorteile, wenn man so wie Valérie ins Amt kommt. So kann man all den Akteuren neutral begegnen.

Auch wenn ich durch meine Zeit im Kantonsrat und als Präsidentin der Kantonalpartei die Abläufe und Prozesse sowie das Zusammenspiel mit dem Kantonsrat bereits kannte, gibt es auch für mich immer wieder Neues zu lernen und neue Herausforderungen – da gilt dann einfach «learning by doing». Diese Herausforderungen bestehen unabhängig vom Alter. Zur Regierungsrätin gewählt zu werden, ist wie ein neuer Job – und das ohne Probezeit!

Welche Eigenschaften würdet Ihr jeweils von Eurer Schwester nennen, die sie auszeichnen und die für eine Karriere in der Politik von Bedeutung sind?

Valérie: Laura ist sehr offen und behandelt alle Leute gleich. Ausserdem hat sie einen engen Draht zu den Leuten in ihrem Umfeld, weil sie engagiert und bodenständig ist.

Laura: Valérie hat einen hohen Gerechtigkeitssinn; schon immer gehabt. Wichtig ist auch, dass sie immer bemüht ist, die bestmögliche Lösung zu finden. Sie ist bereit, einen Kompromiss einzugehen, auch dann, wenn sie vielleicht selbst anderer Meinung ist – was gut ist, denn man will in diesen Ämtern das beste Ergebnis für alle Leute erzielen. Ausserdem hat Valérie eine Leichtigkeit, neue Sachen anzugehen und eine direkte Art. Um den heissen Brei zu reden, hilft in der Politik nicht weiter.

Valérie: Du hast «Dickkopf» vergessen (lacht). Oder netter ausgedrückt: Durchhaltevermögen – aber das haben wir beide: «e lange Schnuuf»!

Valérie, Du bist Vorsteherin des Waadtländer Finanz- und Landwirtschaftsdepartements; Laura, Du bist Vorsteherin der Zuger Sicherheitsdirektion. Wie kam es zu dieser Departements- bzw. Direktionszuteilung?

Laura: Als ich gewählt wurde, war nur der Sitz von meinem Vorgänger neu zu besetzen. Bei der Direktionszuteilung war dann schnell klar, dass die anderen, bisherigen Regierungsräte ihre Direktionen behalten und dass ich somit die Sicherheitsdirektion übernehmen werde.

Valérie: Bei mir war das etwas anders: Im Conseil d‘État gab es einen grossen Wechsel, da vier von sieben Sitzen neu besetzt werden mussten. Die Departementsverteilung geschieht nach dem Prinzip der Alterspriorität.

Inwieweit könnt Ihr Euch in diesen Rollen trotz unterschiedlichem Kanton und «Ressort» gegenseitig austauschen und unterstützen?

Valérie: Wir unterstützen uns gegenseitig gleich auf zwei Ebenen: Beruflich können wir uns durchaus austauschen, obwohl wir in unterschiedlichen Kantonen tätig sind. Gerade bei der Parlamentsarbeit und Personalfragen ist das hilfreich. Aber auch privat kann ich auf Laura zählen. Als Schwester und Freundin hat sie immer ein offenes Ohr – das ist eigentlich mehr wert als die berufliche Unterstützung.

Laura: Auch für mich ist die private Ebene wichtiger. In der Freizeit reden wir lieber über andere Sachen. Nichtsdestotrotz ist es sehr bereichernd, wenn man eine so vertraute Person hat, die einen auch bei schwierigen Fragen im Amt unterstützen kann. Diese Unterstützung wird wohl noch zunehmen, je mehr Erfahrungen wir sammeln.

Wie laufen die Zusammenarbeit und Aufgabenbewältigung im Conseil d'État des Kantons Waadt und im Regierungsrat des Kantons Zug hinter den Kulissen ab?

Valérie: Es ist klar, dass man auch im Regierungsrat seine Parteifarbe nicht ganz vergessen sollte bzw. kann; aber in erster Linie sieht man sich als Vertretung für den ganzen Kanton. Parteipolitische Interessen sind daher fachpolitischen Interessen nachgelagert. Schliesslich ist man im Amt für das ganze Volk, nicht nur für diejenigen, die einen gewählt haben.

Laura: Ein wichtiger Punkt. Dieser bedeutete für mich ein gewisses Umdenken, da ich während meiner Zeit im Kantonsrat und als Parteipräsidentin vor allem Parteiinteressen verfolgt habe. Ganz anders läuft es im Regierungsrat ab: Als aussenstehende Person würde man an einer Regierungsratssitzung die politische Couleur der Beteiligten nicht so einfach herausfinden. Hier stehen wir für die Interessen der gesamten Bevölkerung ein und treffen demnach auch Entscheidungen für die gesamte Bevölkerung. Nicht selten gerät man so auch in die Kritik der eigenen Partei (schmunzelt).

Eine Regierungsratssitzung läuft sehr formell ab. Ich werde zum Beispiel als Frau Sicherheitsdirektorin angesprochen. Geht es aber mal richtig zur Sache, wird die Anrede in der Diskussion auch mal weggelassen (lacht). Jeder kämpft für seine Geschäfte. Ein gewisser Fight ist aber auch gut, um sicherzustellen, dass die beste Lösung gefunden wird. Danach ist es wichtig, das Kollegialitätsprinzip nicht zu verletzen, das heisst, man trägt jeden Entscheid mit und vertritt ihn nach aussen.

Könnt Ihr uns von Geschäften oder Themen erzählen, die Euch in Eurem Amt bisher besonders beschäftigt oder berührt haben?

Valérie: Zwei Punkte kommen mir da spontan in den Sinn. Erstens die steigenden Gesundheitskosten: Denn die Tragbarkeit von Gesundheitskosten ist so zentral für die Menschen, ja auch für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Daher sollte das System angepasst werden. Zweitens die Elternzeit: Hier sehe ich viel Potential und denke, es würde sich wirtschaftlich lohnen, einen Elternurlaub einzuführen. Die Kernfrage stellt sich bezüglich Finanzierung.

Laura: Für mich ist sicher die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wichtig. Das war mir bereits zu Kantonsratszeiten ein Anliegen, und aktuell haben wir im Regierungsrat eine Vorlage beschlossen, um das System für Kinderbetreuung neu aufzugleisen und durch einen hohen Betrag von 40 Millionen Franken pro Jahr zu fördern. Als Sicherheitsdirektorin beschäftige ich mich auch viel mit Kriminalitätsbekämpfung. Zuletzt beschäftigt mich die Versorgungsthematik in Bezug auf Energie, Lebensmittel und Wasser: Es ist heute wichtiger denn je, die Ernährungssicherheit durch inländische Produktion zu fördern, auch seitens Konsumenten, und Wasser wird zunehmend knapp.

Valérie: Ja, die Wasserversorgung wird uns früher beschäftigen, als uns das bewusst ist.

Spätestens seit Eurer Wahl in den Regierungsrat bzw. den Conseil d'État werdet Ihr beide als öffentliche Personen wahrgenommen. Was sind für Euch die wichtigsten Erkenntnisse bezüglich der damit verbundenen medialen Aufmerksamkeit?
(Beide lachen)
 
Valérie: Man lernt viele spannende Leute kennen.
 
Laura: Man kommt sehr jung schon zu einem riesigen Netzwerk. Davon kann man auch später noch profitieren.
Was würdet Ihr jungen Juristinnen und Juristen raten, die eine politische Karriere einschlagen möchten?
Laura: Ich empfehle den klassischen Weg. Ihr seid bei jeder Partei willkommen, nicht nur bei unserer (lacht). Meldet Euch an der Basis für eine Kommission, werdet auf Gemeindeebene aktiv und engagiert Euch. Wichtig ist sicher, dass man seine Ideen einbringen und etwas verändern will – man kann immer etwas bewegen, wenn man bereit ist, anzupacken und sich Gehör zu verschaffen. Die Einstellung «Die in der Politik machen ja eh, was sie wollen» bringt einen nicht weit und stimmt auch nicht. Das politische System in der Schweiz bietet schliesslich beste Voraussetzungen, um sich einzubringen.
Welche Juristin hat Euch so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte und wieso?
Laura: Für mich gibt es nicht explizit eine Person. Mich inspirieren generell Personen, die sich freiwillig und mit Herzblut für etwas engagieren.
Valérie: Da schliesse ich mich an. In der Politik hatten und haben wir einige Frauen in Vorreiterrollen, man denke nur an die erste Bundesrätin Elisabeth Kopp oder die Ständeratspräsidentin, Brigitte Häberli-Koller [1]. Auch die waadtländischen Nationalrätinnen, mit denen ich zu tun habe, sind echte Kämpferinnen, die zeigen, dass Frauen in der Politik etwas bewegen können.
[1] Anm. der Redaktion: Zur Zeit der Durchführung des Interviews hatte Brigitte Häberli-Koller das Amt der Ständeratspräsidentin inne. Bei Veröffentlichung des Interviews hatte Eva Herzog das Amt bereits für die Periode 2023/24 übernommen.

Vielen Dank für das spannende Doppelinterview!

Zürich/Zug/Lausanne, 14. August 2023. Das Interview führten Florence Jaeger und Judith Müller.

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