Dr. Sarah Schläppi im Porträt
"Kompetenz, Herz und Wille setzen sich in der Regel durch."
Dr. Sarah Schläppi, Geschäftsführerin bei Bracher & Partner, über ihren Werdegang, ihr Geheimnis in Bezug aufs Netzwerken und weshalb es vor allem für Frauen wichtig ist, Selbstvertrauen zu haben.
Frau Schläppi, Sie sind Rechtsanwältin und Geschäftsführerin bei Bracher & Partner und zugleich Verwaltungsrätin in mehreren Organisationen – wie haben Sie es in so kurzer Zeit an die Spitze eines Unternehmens geschafft?
Dafür sind viele unterschiedliche Faktoren massgebend. Meine Eltern haben mir bereits in der Kindheit viel Vertrauen entgegengebracht. Dieses Vertrauen ist wichtig – einerseits gegenüber Mitmenschen, aber auch in sich selbst. Dass ich ein klares Ziel vor Augen habe bei dem, was ich tue, hilft sicher. Und ich habe mit Dr. Markus Meyer einen Mentor an meiner Seite, der mich stets gefördert und mir ebenfalls viel Vertrauen entgegengebracht hat.
Nach dem Jura-Studium in Bern haben Sie zunächst angefangen zu arbeiten. Wieso haben Sie sich letztlich doch für eine Promotion an der Universität Basel entschieden?
Der akademische Weg hat mich immer interessiert. Ich wusste aber, dass ich – wenn ich eine Dissertation schreiben will – dafür ein Thema aus der Praxis wähle und ich entsprechend über Erfahrung in der Praxis verfügen muss. Und: ich musste erst einmal Geld verdienen und meine Schulden tilgen, welche aufgrund der Anwaltsprüfung entstanden sind.
Wie kam es dazu, dass Sie sich neben Ihrer Tätigkeit bei Bracher & Partner entschieden haben, gleich mehrere Mandate als Verwaltungsrätin anzunehmen?
Ich bin zwar Rechtsanwältin, definiere mich aber als Unternehmerin. Nebst der klassischen operativen Unternehmertätigkeit interessiere ich mich für die strategischen Elemente von Unternehmen. Ich helfe gerne mit, die Zukunft zu gestalten.
Sie sind Präsidentin bei Pro Infirmis Bern, Co-Präsidentin der swissconsultants.ch, Vizepräsidentin des Schweizerischen Fahrlehrer Verbands – um nur einige Ihrer nebentätigen Engagements zu nennen. Auf den ersten Blick setzen diese nicht zwingend einen juristischen Hintergrund voraus – wie ist es Ihnen gelungen, in derart diverse Führungspositionen zu gelangen?
Pro Infirmis ist eine Herzensangelegenheit. Ich hatte bisher viel Glück in meinem Leben. Hier kann ich aktiv etwas zurückgeben und zwar an Menschen, die darauf angewiesen sind. Swissconsultants.ch ist eine Organisation, dies sich für die Interessen von inhabergeführten KMU (kleine und mittelständische Unternehmen; Anm. d. Red.) einsetzt. Auch das passt zu mir. Und der Fahrlehrerverband – ja, auch da gibt es eine Verbindung. Ich fahre gerne Auto und der Verband war auf der Suche nach einer Vizepräsidentin mit juristischem Hintergrund.
Neben Ihrer Tätigkeit in der Kanzlei haben Sie ein Certificate of Advanced Studies (CAS) in General Management erworben. Was hat Sie dazu bewegt?
Die Übernahme der Geschäftsleitung haben Dr. Markus Meyer und ich 5 Jahre vorher zu planen begonnen. Dazu hat auch gehört, dass ich meine Fähigkeiten schleifen und ausbauen musste. Das CAS in General Management hat sich angeboten. Es ist eine gute Weiterbildung für Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräte, aber eben auch für jemanden wie mich, der auch operativ in der Verantwortung steht.
Scheinbar ohne Probleme bekommen Sie Ihren schnellen beruflichen Aufstieg, zahlreiche Nebentätigkeiten und Publikationen und Ihr Privatleben unter einen Hut. Mussten Sie in Ihrer Karriere auch mal einen Rückschlag verkraften und wenn ja, wie sind Sie damit umgegangen?
Probleme hat wohl jede*r früher oder später. Wobei ich das nicht als «Probleme», sondern eher als Herausforderungen beschreiben würde. Es gibt keinen speziellen Moment. Die Herausforderungen kommen immer wieder. Wichtig ist, dass man sich nicht verunsichern lässt und seinen Weg weitergeht. Kompetenz, Herz und Wille setzen sich in der Regel durch in meiner Erfahrung.
In den letzten Jahren sind Mentoring und eine ausgewogene Feedback-Kultur immer mehr zum beruflichen Alltag geworden. Hatten Sie selbst einen Mentor oder eine Mentorin und wenn ja, was haben Sie aus der Mentoring-Beziehung mitgenommen?
Dr. Markus Meyer, Gründer von Bracher & Partner, hat mich stets gefördert. Er hat mir die Möglichkeit gegeben, zwei Jahre nach dem Anwaltspatent die Niederlassung in Bern zu eröffnen, der Geschäftsleitung beizutreten, später Anteile an der Unternehmung zu erwerben, dem Verwaltungsrat anzugehören und schliesslich im April 2020 die Geschäftsleitung zu übernehmen. Heute ist er Verwaltungsratspräsident und ich Geschäftsführerin. Wir haben immer noch einen sehr guten Austausch. Ich bin ab und zu sehr dankbar und froh, wenn ich ihn um Rat fragen oder einfach etwas spiegeln kann.
Einmal wöchentlich geben Sie beim Radiosender «Radio Energy» kostenlosen Rechtsrat für Zuhörer und Zuhörerinnen. Wie kam es dazu und was lernen Sie aus den Gesprächen mit den Zuhörern und Zuhörerinnen?
Ursprünglich ist dieser Kontakt durch meinen ersten Rechtspraktikanten zustande gekommen. Eigentlich ein lustiger Zufall, wie vieles im Leben. Die Fragen der Zuhörer*innen sind aus dem Alltag. So einfach sie ab und an tönen, so kompliziert ist die Rechtsabklärung hinter den Fragen. Mir macht das bis heute grossen Spass.
Sie sind verheiratet und Ihr Mann hat bereits Kinder mit in Ihre Beziehung eingebracht. Wie haben Sie die Betreuung der Kinder organisiert, als diese noch jünger waren?
Die Kinder, welche heute alle erwachsen sind, waren damals bereits im frühen Teenageralter und sehr selbständig. Ehrlich gesagt hat das nur funktioniert, weil alle (also auch mein Mann und die Kinder) Aufgaben übernommen haben. Und wir hatten sicher nicht ein 0815 Familienleben. Flexibilität war gefragt. Oft haben wir erst gegen 21 Uhr gegessen. Aber: wir haben jeden Abend zusammen gegessen, egal um welche Zeit. Das war wichtig.
Inwiefern halten Sie Karriere, soziales Engagement und Familie heutzutage für vereinbar?
Ich glaube an den Satz «den Füfer und das Weggli kannst du nicht haben». Heute will niemand mehr verzichten. Verzicht gehört aber für mich dazu. Um Ihre Frage zu beantworten: Ich glaube, alles zusammen geht nicht. Mann und Frau müssen Abstriche machen und sich Arbeiten und Engagements aufteilen.
Netzwerken ist für Sie unumgänglich. Ist dies etwas, das man erlernen kann und wenn ja, wie?
Wer Netzwerken will muss Menschen gerne haben und sich für sie und ihre Geschichten interessieren. Das kann man also nur bedingt lernen. Offen und neugierig sein, das ist das Geheimnis.
Haben Sie bei allem was Sie bereits erreicht haben noch konkrete Ziele für den weiteren Verlauf Ihrer Karriere?
Ich habe zum Glück noch viele Ziele. Ein Ziel ist es, Bracher & Partner weiterzuentwickeln, so dass ich die Geschäftsleitung im Jahr 2030 an eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger übergeben kann. Irgendwann möchte ich auch einmal ins Ausland, konkret in die USA, und dort für einige Zeit leben und arbeiten. Aber, das hat eben alles noch Zeit und ist nicht konkret.
Aktuell erfährt das Thema «Women empower Women» immer mehr mediale Aufmerksamkeit. Haben Sie einen Ratschlag an Ihre weiblichen Kolleginnen?
Wichtig erscheint mir, Selbstvertrauen zu haben und an sich zu glauben. Rückschritte gehören dazu – auch bei Männern. Davon darf man sich nicht entmutigen lassen. Nur wer fragt und sich z.B. für Aufgaben und Jobs meldet, erhält eine Chance. Viele Frauen sind da zu zögerlich und wollen sich nicht aufdrängen. Das ist aber kein Aufdrängen, sondern ein Sichtbarmachen der eigenen Fähigkeiten und des Potentials.
Welche Massnahmen ergreifen Sie in Ihren Führungspositionen, um mehr Frauen dafür zu begeistern, berufliche Verantwortung zu übernehmen und wie sehen Sie dabei Ihre persönliche Rolle?
Ich wende keine speziellen Massnahmen an. Ich bin überhaupt kein Fan von Quoten. Bei mir gilt Potential, Persönlichkeit und Leistungsausweis vor Geschlecht. Ich schenke viel Vertrauen. Wichtig scheint mir, dass die jungen Juristinnen bei uns im Unternehmen weibliche Vorbilder haben. Das ist der Fall, was mich sehr freut.
Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte und wieso?
Ich nominiere Nicoletta della Valle. Nicoletta ist zwar beruflich «auf der anderen Seite» als ich, aber gerade das macht es aus. Sie setzt sich ein und ist Vorbild für Frauen. Der Beruf der Polizistin / des Polizisten ist immer noch von Männern dominiert. Sie findet meines Erachtens als Chefin eine gute Linie für Männer und Frauen.
Vielen Dank für das spannende Interview!
Bern, 7. November 2021. Dr. Sarah Schläppi hat das Interview schriftlich beantwortet. Die Fragen haben Kathrin Klose und Audrey Canova vorbereitet.
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