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Alexandra Klingler-Härtsch im Porträt

„Compliance-Mitarbeiter:innen müssen mit Kritik und kontroversen Diskussionen umgehen können sowie ein Sensorium für potenzielle Probleme entwickeln.“

Alexandra Klingler-Härtsch, Head Corporate Compliance bei Raiffeisen Schweiz Genossenschaft, über ihren Einstieg und ihre Tätigkeiten bei Raiffeisen, ihre Erfahrungen als Führungsperson und die Vorbereitung ihres Sabbaticals.

Liebe Frau Klingler-Härtsch, Sie arbeiten nun schon seit mehr als 17 Jahren bei der Raiffeisen Gruppe. Warum haben Sie sich für einen Einstieg im Bereich «Compliance» bei einer Bank entschieden?

 

Ich wollte nach meinem Studium der Rechtswissenschaften und meinem Praktikum in einer Anwaltskanzlei weiterhin im juristischen Bereich tätig bleiben, meinen Fokus aber vermehrt auf eine beratende Tätigkeit legen. Der Bereich «Compliance» war zu diesem Zeitpunkt noch nicht sehr etabliert. Für mich bot sich die Gelegenheit, in dieser Entwicklung gestaltend mitzuwirken. Die Bankenbranche hat mich aufgrund ihrer Signifikanz für die Schweiz und ihrer Nähe zu den Menschen schon immer gereizt und es schien die ideale Kombination der beiden Themengebiete zu sein.

Sie waren bei Raiffeisen die erste Datenschutzbeauftragte, danach Leiterin AML (Anti Money Laundering). Wie kann man sich die jeweiligen Positionen vorstellen?

Als Datenschutzbeauftragte war ich Ansprechperson für sämtliche datenschutzrechtliche Fragestellungen innerhalb der gesamten Raiffeisen-Gruppe in der Schweiz und Bindeglied zwischen der Aufsichtsbehörde – dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten (EDÖB) – und dem Unternehmen. Meine Aufgabe bestand in der Mitarbeit in Projekten, der Konzipierung und Umsetzung von Schulungen im Bereich Datenschutz sowie der Beratung von Fachbereichen bei Raiffeisen Schweiz und den Raiffeisenbanken. Als das Bankgeheimnis in der Schweiz immer mehr unter Druck geriet, gewann der Datenschutz zunehmend an Bedeutung.

Mit der Übernahme der Gruppe AML hat sich der fachliche Fokus meiner Arbeit grundlegend geändert. AML war damals diejenige organisatorische Einheit, welche die Raiffeisenbanken in der gesamten Schweiz in sämtlichen Belangen rund um die Geldwäschereiabwehr beriet, unterstützte und schulte. Sie bildete die gemäss Art. 24 GwV-FINMA geforderte Geldwäschereifachstelle der Raiffeisen Gruppe. Die Gruppe AML wird heute als eine zusätzliche Abteilung in der Organisationseinheit «Legal & Compliance» geführt.

Nun sind Sie Leiterin des Bereichs «Corporate Compliance». Lediglich 10% Ihrer Aufgaben sind im engeren Sinne juristische Tätigkeiten. Welche Aufgaben füllen den überwiegenden Teil Ihrer Zeit?

Den überwiegenden Teil meiner Arbeitszeit machen strategische und konzeptionelle Arbeiten sowie die Personalführung und -entwicklung aus. Koordinative Arbeiten mit anderen Fachbereichen wie Legal, HR, Produktentwicklung, IT etc. und die fachliche Vertretung in interdisziplinären Gremien wie zum Beispiel Projekt- und Steuerungsausschüsse und externe Arbeitsgruppen nehmen ebenfalls viel Raum ein. Wo immer möglich versuche ich, auch Zeit in den Auf- und Ausbau (neuer) Dienstleistungen für die Raiffeisenbanken zu investieren.

Gibt es gewisse Eigenschaften, die man mitbringen sollte oder die von Vorteil sind, um im Compliance-Bereich einer Bank zu arbeiten?

Personen, die im Compliance-Bereich bei einer Bank tätig sein wollen, müssen über die erforderlichen fachlichen Kenntnisse in den betroffenen juristischen Bereichen sowie über Grundkenntnisse des Bankengeschäfts verfügen. Mit der Zeit erlangt man durch die tägliche Arbeit zudem detailliertere Fachkenntnisse, so wie dies auch in allen anderen Branchen der Fall sein dürfte. Meines Erachtens ist es auch wichtig, dass Compliance-Mitarbeiter:innen überzeugend sind, adressatengerecht kommunizieren und nach pragmatischen Lösungen streben. Sie müssen mit Kritik und kontroversen Diskussionen umgehen können sowie ein Sensorium für potenzielle Probleme entwickeln.

Könnten Sie sich vorstellen, in Zukunft in einem anderen Bereich zu arbeiten? Wenn ja, was würde Sie interessieren?

Auf jeden Fall, ich war und bin immer offen für neue Herausforderungen. Für mich ist es entscheidend, in meiner Funktion etwas bewirken zu können und dass sich meine Aufgaben mit meinen Werten vereinbaren lassen. Mir ist zudem wichtig, dass ich in Kontakt mit Menschen sein und in Teams arbeiten kann.

Was für Schwierigkeiten haben Sie als Führungsperson erlebt und wie haben Sie sich diesen gestellt?

Ich habe schon verschiedene Herausforderungen im personellen Bereich erlebt, sei es aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen betreffend Führungsstil und Arbeitsbedingungen oder in Zusammenhang mit Themen wie Überbelastung, Erwartungshaltung und Einsatz für den Arbeitgeber. Ich habe jeweils versucht, mich in die Lage meines Gegenübers zu versetzen und nach einer tragbaren Lösung für alle Seiten zu suchen. Leider funktioniert dieser Lösungsansatz nicht immer. Dann ist es umso wichtiger, Entscheide zu treffen und für diese geradezustehen.

 

Führungspersonen treffen zudem immer wieder auf Situationen im Arbeitsalltag, in denen es weniger um sachliche, sondern vielmehr um politische Diskussionen geht. In solchen Konstellationen gibt es meist keine einfache Lösung und man muss situativ über die eigene Rolle entscheiden.

Sind Ihnen bezüglich der Art und Weise, wie Sie ein Team leiten, Unterschiede zu männlichen Kollegen aufgefallen?

Häufig lassen Frauen mehr Raum für Emotionen im Arbeitsalltag und gehen in Diskussionen mehr auf «soft factors» ein. Meines Erachtens ist die Art und Weise, wie jemand ein Team führt aber weniger geschlechts- sondern vielmehr personenabhängig.

Sind Sie im Laufe Ihrer Berufstätigkeit schon unterschätzt worden? Wenn ja, wie sind Sie damit umgegangen?

Ich gehe davon aus, dass ich bei meiner Berufstätigkeit schon unterschätzt wurde, da wir Menschen im Allgemeinen zu Vorurteilen neigen, was wiederum dazu führt, dass wir uns von unserem Gegenüber ein falsches Bild machen. Es wäre spannend, wenn Sie diese Frage Personen aus meinem Arbeitsumfeld stellen würden.

 

Unabhängig davon, wie mich andere einschätzen, versuche ich immer mein Bestes zu geben. Sollte mich also jemand unterschätzt haben, hoffe ich, diese Person positiv überrascht zu haben.

Was sind Ihre Empfehlungen und Tipps an Frauen, die zukünftig in einer Führungsposition arbeiten wollen?

Ich würde Frauen und Männern dieselben Tipps geben, da für mich die Besetzung einer Führungsposition nicht mit dem Geschlecht, sondern mit den individuellen Fähigkeiten zusammenhängt. Mein Rat an eine Person, die in einer Führungsposition arbeiten möchte, wäre sich zu überlegen, welche Werte für sie wichtig sind und wie sie für diese einstehen will. Es ist essenziell, sich bewusst zu werden, was es heisst, Verantwortung zu übernehmen und sich auch schwierigen Situationen zu stellen.

 

Frauen im Speziellen würde ich den Tipp geben, sich nicht auf ihr Geschlecht «reduzieren» zu lassen, sondern vielmehr durch ihre Leistung zu überzeugen. Sich den eigenen Erfolg hart zu erarbeiten, ist für mich persönlich befriedigender als der Gedanke, aufgrund einer Quote weitergekommen zu sein.

Wie stellen Sie sicher, dass der Ausgleich zur Arbeit nicht zu kurz kommt?

Ich versuche, mir regelmässig Zeit für Sport und den Kontakt mit Familie und Freunden herauszunehmen. Sicherlich gibt es Phasen, in welchen die privaten Bedürfnisse zurückgestellt werden müssen und der Ausgleich nicht gelingt. Umso mehr geniesse ich dann dafür die etwas ruhigeren Zeiten, in welchen ich den privaten Interessen auch einmal den Vorrang geben kann.

Kurz vor unserem Interview kamen Sie gerade aus einem Sabbatical zurück. Wie wichtig sind solche Auszeiten für Führungskräfte Ihrer Meinung nach? Und wie muss ein Unternehmen aufgestellt sein, dass die Absenz zu keinem Unterbruch in der Führung führt?

Ein Sabbatical machen zu können ist ein unvergessliches Erlebnis. Es ist eine unbezahlbare Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Eine solche Auszeit gibt einem die Möglichkeit, für sich selbst eine Standortbestimmung zu machen – sich also mit Distanz und ausserhalb des Hamsterrads mit wichtigen Fragen wie der eigenen Zielsetzung zu beschäftigen und sich selbst kritisch zu hinterfragen. Führungskräfte können in dieser Zeit neue Ideen sammeln und ihren Horizont erweitern.

 

Um Unterbrüche in der Führung und im Arbeitsalltag zu verhindern, sind eine gute Stellvertretung und eine langfristige Planung essenziell. Nur so können Doppelspurigkeiten und Unterbrüche verhindert werden. Wichtig ist vor allem, dass sich Führungskräfte, welche die Möglichkeit haben, eine längere Auszeit zu nehmen, sich von ihrer Arbeit und dem Gedanken lösen können, unersetzbar zu sein.

Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte und wieso?

Das war Frau Dr. Ida Hardegger, ehemalige General Legal Counsel in einem internationalen Industriekonzern und CEO in mehreren Unternehmen. Heute ist sie in verschiedenen Verwaltungs- und Stiftungsräten sowie ehrenamtlich tätig. Ich bewundere sie für ihre Zielstrebigkeit, ihre vielseitige Persönlichkeit und ihren Ehrgeiz, Neues zu lernen, sich mit komplexen Sachverhalten auseinanderzusetzen und nach gewinnbringenden Lösungen zu suchen. Frau Dr. Ida Hardegger hat mir immer wieder gezeigt, was es heisst, für seine Werte einzustehen und was man mit Leistung und Ambition erreichen kann.

Herzlichen Dank für das spannende Interview!

Zürich, Juni 2024 geführt. Die Fragen stellten Lena Götzinger und Isabel Eichhorn.

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